Die Frage, warum man denn seitens des spanischen Staates so lange nicht das Erforderliche getan hat, um die Küsten wirksam vor kriminellen Machenschaften zu schützen, bleibt weiter offen.
An der aktuellen Rechtslage ändern derartige Vorhalte aber nichts.
Regierungen können wechseln und man darf der jetzigen Regierung um "Schuhmacher" Zapatero schon bescheinigen, dass sie mit Nachdruck die Belange des Umweltschutzes vertritt. Vergessen wir auch nicht, dass diese Linie nur gut für die touristischen Belange Spaniens sein kann.
Welcher Spanienurlauber hat nicht schon fassungslos vor besonders abschreckenden Beispielen einer nahezu planmäßigen Küstenzertörung gestanden und sich gefragt, wie sowas möglich ist.
Kriminelle aus Wirtschaft und mittelbarer Staatsverwaltung (Gemeinden) haben das Fass zum Überlaufen gebracht. Hätte man nicht entschieden gehandelt, dann wäre die Totalzerstörung nur noch eine Frage der Zeit gewesen.
Viele Deutsche können es kaum glauben, wenn man ihnen folgendes mitteilt:
- Viele Häuser an der spanischen Küste sind sogenannte Schwarzbauten, d.h. bereits angefangene oder fertig gestellte Häuser, die mit existierenden Bebauungsplänen bzw. dem Küstengesetz "Ley de Costas" nicht vereinbar sind. Sogar nach Inkrafttreten dieses Gesetzes wurde fleißig weitergebaut und planmäßig gegen das Gesetz verstoßen. Bei zahlreichen Bauten sind zusätzlich auch Verstöße gegen Naturschutz- und Landschaftsschutzrecht festzustellen.
- Meist sind kriminelle Machenschaften der Hintergrund, etwa Bestechungen der örtlichen Baubeamten.
- Oftmals versäumen die Ämter schlichtweg, die Einhaltung der Regelungen überhaupt zu überprüfen.
Man muss schon von einem regelrechten Sumpf sprechen. Es hat sich eine Baumafia etabliert, die dem Staat auf der Nase herumtanzt.
Dem musste Einhalt geboten werden und deshalb hat sich das spanische Umweltministerium seit Ende 2006 zum Ziel gesetzt, zum Wohl der Umwelt und des Tourismus mit den illegalen Bauten an spanischen Küsten aufzuräumen.
Man muss es an dieser Stelle betonen:
Der spanische Staat setzt ein Zeichen gegen die illegalen Praktiken vieler
Gemeinden und vieler
Bauentwickler, um diesen Sumpf endgültig trocken zu legen. Als Deutscher kommt einem das irgendwie merkwürdig vor, aber die "Kriminellen" sitzen tatsächlich in öffentlichen Verwaltungen der autonomen Regionen. Auf den Islas Canarias ist die Verfilzung zwischen Bauwirtschaft und örtlichen Amtswaltern besonders schlimm.
"Costas" ist für mich sowas wie ein moderner "Umwelt Robin Hood".
Wir nehmen es den "Kriminellen" und geben es dann bereinigt den Einwohnern und Touristen zurück, könnte man sagen.
Dabei werden die Organisationen, deren Geschäft es ist, die Vorschriften zu umgehen und zu missachten, empfindlich getroffen, nämlich am Geldbeutel.
So ist auch nicht verwunderlich, dass diese Kreise sich mit allen Mitteln wehren. Lobbyisten werden beauftragt, "Costas" schlecht aussehen zu lassen. Mit fadenscheinigsten Begründungen und Argumentationsketten will man retten, was nicht mehr zu retten ist. Das Schlaraffenland der Baumafia gehört der Vergangenheit an.
Schlimm genug, dass sich noch Generationen mit den Hinterlassenschaften der Baumafia werden beschäftigen müssen und die Konkurrenzfähigkeit des spanischen Tourismus in vielen Bereichen schwer beeinträchtigt wurde. Immer mehr Urlauber haben keine Lust mehr, in Betonwüsten Urlaub zu machen. Das Umweltbewusstsein der Menschen ist gestiegen. Das Auge urlaubt mit, könnte man sagen und deshalb ist es richtig, jetzt seitens des Staates ein deutliches Zeichen zu setzen.
Im Teil 1 hatten ich die verschiedenen Schutzbereiche des
Ley de Costas bereits angesprochen.
Werfen wir einen genaueren Blick auf das Verfahren zur Festlegung dieser Schutzbereiche.
Gemeindevertreter vieler Gemeinden, auf deren Gebiet Enteignungs- und Abrissmaßnahmen vorgesehen sind, tun häufig so, als ob sie von der Entwicklung überrascht wurden, wenn sie den Gemeindebewohnern die Sach- und Rechtslage erklären müssen.
Angesichts des vorgegebenen Verfahrens, an das sich "Costas" zu halten hat, ist das sehr verwunderlich.
Ich habe mich immer gewundert, dass z.B. Gemeindevertreter auf La Palma versuchten, sich rauszulavieren und "Costas" den schwarzen Peter zuzuschieben.
Die Gemeinden sind bei den öffentlichen Anhörungen beteiligt.
Sie können vorbringen, welche Entwicklungen zur Entstehung der Bauten geführt haben. In vielen Fällen hätten die Gemeindevertretern vermutlich sehr schlecht ausgesehen, wenn der Sachverhalt des jahrzehntelangen Unterlassens der Kontrollen auf Gemeindegebiet näher erörtert worden wäre.
In manchen Fällen hatte man aber auch das Gefühl, dass die Abrisse den Gemeindevertretern gar nich so Unrecht waren, weil man mit zukünftigen Investoren auf dem Gemeindegebiet schon andere Tourismusprojekte plante und den Investoren vermutlich eine Art "Geschäftsmonopol" in bestimmten Regionen in Aussicht gestellt hatte.
Ich verweise in diesem Zusammenhang auf die Fälle der Playa Nueva, Punta Larga, Faro de Fuencaliente und La Zamora, die La Palma Kennern und den vielen Lesern aus dem La Palma Forum gut bekannt sein dürften.
Tatsache ist, dass man mit "Costas" durchaus verhandeln kann, wenn es um spezielle Fälle an der Küste geht.
Stichwort: Wichtige Wanderziele der Touristen z.B. Playa de la Veta, Puerto de Puntagorda, La Fajana de Franceses etc.
Später werde ich in Fallbeispielen noch auf diese besonders gelagerte Fälle näher eingehen.
Das Verfahren bei der Festlegung des Meeres-Strandzone im einzelnen- Der Meeres-Strandzone ergibt sich nach verbindlicher Festlegung einer Grenzlinie (deslinde marítimo-terrestre).
- Es erfolgt ein Anhörungs- und Feststellungsverfahren.
Die örtliche Küstenbehörde fertigt einen Entwurf der Grenzlinie.
- Nach Anhörung der betroffenen Eigentümer und einer öffentlichen Anhörung wird der Entwurf dem Umweltministerium zugeleitet.
- Die endgültige Feststellung der Meeres-Strandzone erfolgt durch einen Ministerialbeschluss
- Äußerlich wird die Grenze durch Markierung einer Grenzlinie mit Grenzsteinen sichtbar.
- Nach dieser Festsetzung der Grenzlinie erfolgt dann eine Anweisung an den Grundbuchrichter, widersprechende Grundbucheintragungen mit einer Art "Vormerkung" zu versehen.
- Betroffene Eigentümer können gegen diese staatlichen Maßnahmen durch Klage vorgehen. Unterbleibt die Klageerhebung, dann werden die zu Gunsten des Staates lautenden "Vormerkungen" zu endgültigen Eintragungen im Grundbuch.
- Betroffenen Eigentümer können ein zeitlich begrenztes Recht (ähnlich Nießbrauch) beantragen. Dauer: 30 Jahre
Auf Antrag ist die Dauer um weitere 30 Jahre verlängerbar.
Für die Bescheidung solcher Anträge ist natürlich von wesentlicher Bedeutung, wann die Bauten enstanden und wie. Waren es legale Bauten oder illegale Bauten? Entstanden sie vor oder nach Inkrafttreten des Ley de Costas?
In der Praxis wichtige Einzelregelungen:
#Einrichtungen und Anlagen, die in der
Meeresuferzone errichtet werden sollen, sind nur dann genehmigungsfähig, wenn ihre Errichtung an
keinem anderen Ort möglich ist.
#Schutzzone (zona de protección), Einflusszone (zona de influencia) und Verkehrszone (servidumbre de tránsito) ergeben sich aus der festgestellten Meeres-Strandzone.
An die Meeresuferzone grenzt die Schutzzone ("servidumbre de protección").
Sie ist 100 Meter breit, innerhalb wirksamer
Bebauungspläne 20 Meter.
An die Schutzzone grenzt schließlich die Einflussnahmezone ("zona de influencia"), die einen Landstreifen von
mindestens 500 Meter, gemessen von der Meeresufergrenze, umfasst.
#Vor Inkrafttreten des Gesetzes in der
Schutzzone errichteten Gebäude genießen
grundsätzlich Bestandsschutz.
Die
Errichtung eines Gebäudes seit Inkrafttreten des Gesetzes bedarf der
behördlichen Genehmigung der Küstenbehörde ("Costas").
Nicht genehmigungsfähig sind Wohngebäude und Hotelanlagen.#Nicht überdachte Sporteinrichtungen sowie diejenigen Einrichtungen und Aktivitäten, die aufgrund ihrer Eigenart an keinem anderen Ort möglich sind, können dagegen errichtet werden.
Voraussetzung ist allerdings, dass ein sechs Meter breiter Streifen von der Ufergrenze aus ständig begehbar gehalten wird. Je nach Beschaffenheit des Geländes kann diese Entfernung auch bis zu 20 Meter betragen.
#
Allle an die Meeresuferzone grenzenden Grundstücke müssen über einen Zugang zum Meer verfügen.#Für die Eintragung von an die Meeresuferzone grenzenden Grundstücken in das Grundbuch ist eine behördliche Bestätigung erforderlich, dass das Grundstück nicht in diese Zone hineinreicht.
#Für Gebäude innerhalb der Einflussnahmezone bestehen Beschränkungen hinsichtlich des Bauvolumens.
Das Ley de Costas regelt also erhebliche Eingriffe in das Eigentum der betroffenen Eigentümer.
Innerhalb der Meeres-Strandzone oder der Schutzzone kann nur noch in seltenen Ausnahmefällen gebaut werden.
Im Klartext:
Die betroffenen Grundstückseigentümer können ihre Immobilien bzw. die entstandenen Nutzungsrechte häufig nur zu einem Bruchteil des vormaligen Erwerbspreises veräußern.
Das ist der springende Punkt für die Aktivitäten der Kritiker dieses Gesetzes. Es geht schlichtweg um viel Geld und es geht nicht nur, aber auch, um Spekulanten, deren Gewinnaussichten sich nicht werden realisieren lassen.
Es geht aber auch um Käufer, die von Vetragspartnern Grundstücke kauften, die heute viel weniger Wert sind. Es geht um Käufer, die ihr Eigentum durch Enteignung verlieren und dafür noch nicht einmal eine Entschädigung erhalten.
Betroffene Briten und Deutsche setzen alles Bewegung und fragen: Ist das alles rechtens?
Folgendes ist von Betroffenen zu lesen:
Das Auswärtige Amt in Berlin ist bereits aktiv geworden und interveniert bei der spanischen Regierung in Madrid gegen die rückwirkende Anwendung des Küstenschutzgesetzes und eine entschädigungslose Enteignung – ebenso wie die Regierungen Großbritanniens, der Niederlande, Belgiens, der Schweiz und Kanadas. „Wir können zwar nicht einzelnen Bürgern helfen, sich gegen die spanischen Behörden durchzusetzen. Aber wir versuchen, auf politischem Wege neue Regelungen zu bewirken“, so der Sprecher des Auswärtigen Amts. Über die deutschen Konsulate in Spanien könne man immerhin Adressen von Fachanwälten und Kontaktdaten lokaler Interessengemeinschaften erhalten.
Hoffung setzen auch viele in die EU-Institutionen: Die Interessengemeinschaft Plataforma Nacional de Afectados por la Ley de Costa (PNALC, http://afectadosleydecostas.blogspot.com) – die von 20 000 Betroffenen getragen wird – hat sich an den Petitionsausschuss des Europa-Parlaments gewandt, der eine Untersuchung zugesagt hat.
Oder:
Was heisst hier legal oder illegal? Es gibt Häuser, die vor 1988 innerhalb der jetzigen 100-Meter-Küstenzone gebaut wurden.
Ganz legal mit dem Segen der Behörden. Und diese Immobilien (unser Haus gehört auch dazu) sollen nun einfach so enteignet und nur noch auf zusehen hin zu bewohnen sein? Unsere Investition mit mühsam erspartem Geld soll nun plötzlich nichts mehr Wert sein?
Zuerst hat der Spanier verkauft und viel Geld dabei verdient, um dann geplant (?) und ohne Entschädigung zu enteignen? Ich erinnere mich an Vertreibungen und Enteignung durch sogenannte sozialistische /kommunistische Regierungen in früheren Zeiten. Auch waren wir schon einmal die Geprellten, Spanien hatte uns schon einmal elegant bestohlen indem der nächste Streifen zum Wasser als Marinhoheit erklärte wurde. Der Bootsplatz/Steg wurde entschädigungslos weggenommen. Der Hintergrundgedanke ist nicht, wie angegeben, eine schönere Küstenregion, Naturschutz oder erklärbares Öffentliches Interesse, sondern quasi legal gemachte wirtschaftliche Interessen. Dies ist Drittweltstatus im EU-Land Spanien das zu allem noch grosse Summen an Unterstützungsgelder von der EU kriegt.
Gibt es Hoffnung auf Rechtsbeistand von der EU für uns kleinen, legalen aber trotzdem enteigneten Hausbesitzern? Wir möchten ganz gerne über unsere legal erworbenen Liegenschaften frei verfügen, wie es in einem EU-Land ansonsten üblich ist.
In einem EU-Land sollte man davon ausgehen können, dass Privateigentum in Friedenszeiten geschützt ist und bleibt - dafür zahlt der EU-Bürger seinen Obolus.
Starker Tobak, wie ich meine, aber man kann verstehen, dass Betroffene so reagieren. Wer würde sich als Betroffener nicht wehren wollen?
Aber sind die Argumente wirklich stichhaltig? Rückwirkung von Gesetzen? Geht sowas überhaupt?
Enteignung ohne Entschädigung? Ist sowas denkbar?
Diese Fragen können nur beantwortet werden, wenn man sich mit dem Eigentumsbegriff des spanischen Rechtes näher beschäftigt.
Um es vorwegzunehmen: Es ist im Europa des Jahres 2009 durchaus denkbar, dass es unterschiedlich definierte Eigentumsbegriffe in Einzelstaaten gibt und dass das Eigentum unterschiedlich intensiv geschützt wird.
In Spanien muss nicht alles so geregelt sein, wie in der Bundesrepublik und in der Realität ist das auch so.
So hat das
spanische Verfassungsgerichtshof bereits im Jahre 1991 entschieden, dass die Umwandlung des in der Meeresuferzone belegenen Privateigentums in ein zeitlich beschränktes Nutzungsrecht nicht verfassungswidrig ist.Die spanische Verfassung schütze das Eigentum nicht in gleicher Weise wie etwa die Meinungsfreiheit.Wir sind mitten in der spanischen
Grundrechtsdogmatik angelangt und in Teil 3 werde ich mich daher näher mit dem spanischen
Eigentumsbegriff beschäftigen.
Eines scheint schon jetz klar:
Ohne Änderung der Bestimmungen des Küstengesetzes wird man keine Abmilderung der Folgen für betroffene Eigentümer erreichen. Eine Änderung ist derzeit jedenfalls nicht in Sicht.