Samstag, 25. Juli 2009

Küstenschutz - Urbanisierungsversuche der Gemeinden

Die staatliche Behörde "Costas", eine Abteilung des spanischen Umweltministeriums, hat häufig mit Fallkonstellationen zu tun, die belegen, dass gerade Behörden kanarischer Selbstverwaltungskörperschaften sich nahezu planmäßig nicht an Recht und Gesetz halten.
Ein wahrer Sumpf von Korruption und Vetternwirtschaft hat so in den vergangenen 20 Jahren viele Küstenbereiche stark geschädigt. Leider hat man sich erst unter der Regierung Zapatero entschlossen, dem Küstengesetz zur Geltung zu verhelfen und die unverantwortliche Zerstörung der größten Küstenlinie Europas zu stoppen.

Fassungslos wird man mit Fällen konfrontiert, die selbst bei einem Laien Zweifel darüber aufkommen lassen, ob Bauten an bestimmten Stellen zulässig sein können.
Das in den Fokus der Öffentlichkeit geratene Küstengesetz (Ley de Costas) hat die Menschen in Bezug auf die Zulässigkeit von Bauten in Küstennähe sensibilisiert.
Gut so!
Das ist auch ein Verdienst der Behörde "Costas" - auf den Canarias "Demarcación de Costas" -, die leider in vielen Einzelfällen Eigentümer findet, die Häuser mit allen gemeindlichen Genehmigungen weit nach Inkrafttreten des "Ley de Costas" in Zonen errichten konnten, die das Gesetz als Schutzonen ausweist.

Zunehmend kommen Gemeinden mit Unterstützung der kanarischen Regierung oder sog. Raumordnungskommissionen (COTMAC) auf die Idee, Aussenbereiche ihres Gemeindegebietes zu sog. "urbanen Zonen" zu deklarieren, um den Eigentümern von Immobilien Rückendeckung gegenüber der Küstenschutzbehörde zu verschaffen.

Ein Fall, in dem das geschehen ist, wird auf La Palma die Siedlung von El Remo wohl zu großen Teilen retten. Eine "Urbanisierung" hat aber auch zwingend zur Folge, dass die vorhandenen Bauten entsprechend modifiziert werden müssen, um dadurch einen "Standard städtischer Architektur" zu schaffen. Das wird man genau beobachten müssen! So sieht es dort bisher aus:


Diese sog. Urbanisierungen können dazu führen, dass nicht alle Regelungen des Küstenschutzgesetzes bezüglich der Schutzonen anwendbar sind.
Keinesfalls kann aber durch diese Urbaniserungsbestrebungen das Küstengesetz auf kaltem Wege umgangen werden. Das hat "Costas" immer wieder betont und Gerichte haben dies auch bestätigt.
Werfen wir noch einmal einen Blick auf die Schutzonen:

Der Küstenstreifen ist in drei unterschiedliche Schutzzonen aufgeteilt worden, in die Meeres-Strandzone mit der Ausschließlichkeit öffentlichen Eigentums, die 100m (höchstens aber 200m) breite Schutzzone (servidumbre de protección) und die nach Art. 30 LC grundsätzlich 500m breite Einflusszone (zona de influencia).
Beispiele für die Meeres-Strandzone:
- Alle vom Wasser umspülten Flächen
Diese reichen bis zu dem Landpunkt , welchen Wellen bei Sturmfluten erreichen, dazu gehören auch solche, die nur gelegentlich überflutet werden.
- Andere Flächen
Dünen und die vom Meer aus ansteigenden Felsenküsten gehören bis zu ihren Gipfeln zur Meeres-Strandzone.
- Sämtliche in der Meeres-Strandzone befindlichen Objekte sind öffentliches Eigentum.
- Artikel 8 Ley de Costas regelt, dass private Rechte, selbst wenn diese im Grundbuch eingetragen sind, insbesondere Privateigentum etc. NICHT neben dem öffentlichen Eigentum zulässig sind.

Schutzzone: Zona de protección
Die Schutzzone, die hinter der Meeres-Strandzone liegt, hat einen Streifen von 100 Meter (höchstens aber 200m) ab der festgestellten Meeres-Strandzone. Sie gilt als Dienstbarkeit (servidumbre), die privates Eigentum grundsätzlich duldet. Immobilien, die Wohnzwecken dienen sowie Hotels sollen grundsätzlich nicht in dieser Zone stehen, es sei denn, es werden aufgrund ihrer außerordentlichen Bedeutung wichtige wirtschaftliche Gründe nachgewiesen. Die zulässige Nutzung bedarf der Erlaubnis (autorización) der zuständigen Küstenbehörden.

Einflusszone (zona de influencia):
- Hier ist Bebauung zulässig.

Verkehrszone (servidumbre de tránsito):
- Streifen von 6 Metern ab der Meeresgrenze mit der Möglichkeit der Erweiterung auf 20 Meter. Dies ist eine Dienstbarkeit, um die Zufahrt zur Strandzone zu ermöglichen.
Das Gesetz hat seine Tücken und die Anwendung ist manchmal nicht ganz einfach.

Beispiel:
Alle unmittelbaren Strandgrundstücke werden automatisch enteignet soweit die „zona maritima terrestre“ betroffen ist.
Wie weit reicht diese Zone aber genau? Das ist häufig nicht eindeutig zu beantworten.
Die gesetzliche Definition stellt darauf ab, wie weit der Wellengang bei höchster Flut reicht.
In der Praxis kann diese Uferzone nur wenige Meter weit (breit!) sein, aber in Einzelfällen auch schon einmal 500 m weit (breit). Wenn man bedenkt, dass ab dieser Zone die anderen Zonen erst beginnen - Markierungsstein Meeres-Strand-Zone - dann wird deutlich, dass die Anwendung des Gesetzes mit erheblichen Rechtsunsicherheiten verbunden sein kann.

Bei sog. "künstlichen Landaufschüttungen" stellt das Gesetz übrigens auf die vormalige Küstenlinie als maßgeblichen Ausgangspunkt für die Berechnung ab, was die Anwendung noch einmal erheblich verkomplizieren kann.

An die Meeresuferzone grenzt die Schutzzone ("servidumbre de protección"). Sie ist normalerweise 100 Meter breit, innerhalb wirksamer Bebauungspläne aber nur 20 Meter.
Hier muss man also immer prüfen, ob ein wirksamer Bebauungsplan vorliegt.
Gerade auf Lanzarote hat sich gezeigt, dass das Gesetz von den Gemeinden teilweise pervertiert wird. Da werden Bebauungspläne nicht aus Flächennutzungsplänen entwickelt, sondern teilweise einfach ohne planungsrechtliche Erforderlichkeit mal schnell verabschiedet, nur um die Zuständigkeit von Costas zu vermeiden.

Ein besonders dreister Fall ereignete sich in der Gemeinde Tazacorte auf La Palma.
Hier mal eine Ansicht von oben (bitte das linke Bild anklicken): Das Bauwerk war damals noch im Bau und ist jetzt ein fertiggestelltes Appartementhaus (Bild), für das der Eigentümer Käufer von Luxusappartements sucht.
Alles in direkter Küstenlage, wie man sehen kann.
Schaut man sich den Fall genauer an und versucht die o.a. Vorschriften des Küstengesetzes anzuwenden, kann man wirklich nur staunen, dass der Erbauer von der Gemeinde Tazacorte tatsächlich alle erforderlichen Genehmigungen für diesen Bau erhielt.
Ein Stück aus dem Tollhaus!
In diesem Fall scheint mir die Zuständigkeit von "Costas" für diesen Küstenstreifen ganz offensichtlich auf der Hand zu liegen.
Schauen Sie sich mal die Entfernungen an! Ich war schon häufiger an dieser Stelle, da war die Straße bei Weststürmen wegen Überschwemmung unpassierbar, was dafür spricht, dass dieser Bereich zur sog. Meeres-Strand-Zone gehört.
.....diese reichen bis zu dem Landpunkt , welchen Wellen bei Sturmfluten erreichen, dazu gehören auch solche, die nur gelegentlich überflutet werden.
- Andere Flächen
Dünen und die vom Meer aus ansteigenden Felsenküsten gehören bis zu ihren Gipfeln zur Meeres-Strandzone.
Was ist eigentlich mit der auf der rechten Seite erkennbaren vulkanischen Wand? Ist das eine ansteigende Felsenküste bis zum Gipfel?

Ein Urteil des "Tribunal Supremo" (Oberster spanischer Gerichtshof) stellt zu diesem Fall jetzt klar: Die Baulizenz für das Gebäude in der ersten Strandlinie mit 25 Luxusappartements ist rechtswidrig, weil dieses Stück Land gar nicht zur urbanen Zone der Stadt
gehört und somit 100 Meter von der Küstenlinie aus kein Gebäude dort errichtet werden kann.

Die Gemeinde Tazacorte und die "COTMAC" (Comisión de Ordenación del Territorio y del Medio Ambiente de Canarias), eine Art Kommission für Raumordnung, wollten dies aber nicht einsehen.
Dabei hatte doch zuvor schon der oberste kanarische Gerichtshof auf Antrag von "Costas" bestätigt, dass dieses Landstück nicht urbanisierbar ist, denn es gehört zur Meeres-Strand-Zone.

Auch das "Tribunal Superior" sieht diesen Landbereich nicht als "urban" an.
Das Gericht erklärt sogar, dass die Gemeindevertreter wissentlich eine rechtswidrige Baugenehmigung erteilt haben.

Das ist sicherlich nicht der einzige Fall im Paraiso!
Canarias paraíso de la especulación


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Da ist vermutlich mal wieder jede Menge Geld geflossen, was ja in Tazacorte durchaus Tradition hat.
Bleibt nur noch eine entscheidende Frage:

MUSS MAN EINEM DERARTIGEN VERSTOSS GEGEN GELTENDES RECHT NICHT KONSEQUENT MIT EINER ABRISSVERFÜGUNG BEGEGNEN?

Was soll mit diesem Gebäude denn sonst geschehen? Vielleicht kann man es als Mahnmal gegen die Korruption nutzen und die "Zentralstelle für Korruptionsbekämpfung auf den Canarias" dort einrichten.
Eine Möglichkeit!
Man muss hier sicherlich auch die Frage stellen, inwieweit der Erbauer trotz der vorliegenden Genehmigung überhaupt schutzwürdig ist, wenn es später vielleicht um eine Schadenersatzforderung gegen die Stadt geht.
Wenn es sich um einen Profi handeln sollte, könnte man schon erwarten, dass dieser auch das Küstengesetz kennt. Inzwischen wird ja landauf landab davor gewarnt, Immobilien in Küstennähe zu kaufen oder zu errichten, ohne die Rechtslage nach dem Küstengesetz vorher intensiv geprüft zu haben.

Leider sind in vergleichbaren Fällen auf anderen Inseln immer wieder Tendenzen zu beobachten, diese rechtswidrigen Immobilien nachträglich noch irgendwie zu legalisieren.
Besonders auf der Insel Lanzarote treibt das wahre Stilblüten. Da wird dann damit operiert, dass man doch nicht Investitionen einfach so vernichten dürfe und dass ein Abriss faktisch nicht möglich sei. Ausserdem werden ohne planungsrechtliche Erforderlichkeit einfach Bebauungspläne "nachgeschoben", um das Küstengesetz zu umgehen. Diese Umgehungsversuche müssen einer genauen rechtlichen Prüfung unterzogen werden, damit die "Urbanisierung" um jeden Preis nicht um sich greift!
NEIN!
In solchen Fällen müssen eindeutige Zeichen gesetzt werden, sonst handeln Spekulanten und korrupte Amtswalter weiter kollusiv zum Nachteil der Allgemeinheit.
Der Verschandelung ganzer Küstenbereiche muss jetzt mit aller Konsequenz Einhalt geboten werden, das gilt insbesondere dann, wenn Verwaltungsorgane sich bewusst gegen das Recht stellten und offenbar darauf hofften, dass dies schon gutgehen werde.
Ausserdem muss die Vermessung der Küstenlinie mit aller Macht vorangetrieben werden, damit Klarheit über die Ausdehnung der Küstenschutzzonen herrscht!