Dienstag, 9. Juni 2009

Küstenschutz - Kann "Costas" Ausnahmen machen? (1)



Im Zusammenhang mit dem Küstenschutz haben kanarische Zeitungen und Radiosender in den letzten Jahren häufig das veröffentlicht, was sie aus den Rathäusern und Cabildos der Region erhielten.
Vieles war rechtlich unhaltbar und man wurde das Gefühl nicht los, dass "Costas" in der Öffentlichkeit schlecht gemacht werden sollte.
Hier als Link mal eine kleine Übersicht von Meldungen

Gestern las ich in Kaeptnboeffs Presseschau folgendes:

Die Küstenverwaltung Costas wird den Anexo II nicht abreißen. Das bestätigte der Verwaltungschef der Behörde, Carlos Cardenes, gegenüber der Presse. Cardenes erklärte, seine Behörde hätte keinerlei Interesse an gerichtlichen Auseinandersetzungen mit den Lokalbesitzern, die immerhin das Recht haben - so Cardenes - ihre Lokale weitere 60 Jahre in der Form zu nutzen, wie es jetzt geschieht. Interesse an einem Abriss hätten andere, zum Beispiel die Inselregierung Gran Canarias, und die sollten das dann auch selbst durchführen und Entschädigungen bezahlen, meinte der Sprecher der Küstenbehörde.
Meldung: Sands FM

Heute vermeldet Sands FM:
In der Gemeinde Maspalomas überlegt und diskutiert man derzeit über die Zukunft des Anexo II. Die Abrisspläne scheinen vom Tisch, jetzt will man die veraltete Einkaufsmeile "aufbessern und die Umgebung verschönern", so hieß es gestern aus dem Bürgermeisteramt. Die Lokaleigentümer dürfen lt. aktuellem Stand ihre Geschäfte für die nächsten 30 Jahre behalten, mit der Option auf weitere 30 Jahre. Sowohl aus der Gemeinde als auch aus der Inselregierung gibt es darüber viel Kritik. Und um der jetzt entgegenzuwirken soll endgültig verschönert werden - die Pläne dazu werden gemeinsam von den betroffenen Lokalbesitzern, Architekten und Vertretern der Gemeinde Maspalomas ausgearbeitet.

Zeitgleich lese ich in Kaeptnboeffs Presseschau folgendes:
Die Hoffnung stirbt zuletzt. Bürgermeisterin Mari Pino Torres, Vertreter der Eigentümergemeinschaft und Carlos Cardenes von der Küstenschutzorganisation “Costas” suchen Lösungen für die vom Abriss bedrohte Shopping-Meile Anexo II am Strand von El Ingles. Eine Sitzung zur Klärung des Status des Shoppingcenters Anexo II in Playa del Ingles, die unter der Schirmherrschaft der Bürgermeisterin von San Bartolomé de Tirajana, Mari Pino Torres, am Montagmorgen (08. Juni) stattfand, lässt die Eigentümer des vom Abriss bedrohten Anexo II wieder hoffen. Carlos Cardenes, seines Zeichens Chef der spanischen Küsten-Demarkation, kurz: Costas, versprach am Ende der Unterredung, an der neben der Bürgermeisterin auch einige Besitzer von Gewerbeimmobilien am Anexo II teilnahmen, die “Rechtmäßigkeit eventueller anderer Lösungswege zu überprüfen”.
Eine dieser zu überprüfenden Lösungen könnte eine Konzessions-Verlängerung um weitere 30, bzw. 60 Jahre darstellen. In wie weit diese Lösung jedoch mit dem spanischen Küsten-Gesetz vereinbar ist, muss nicht in der Gemeinde San Bartolome de Tirajana, sondern bei der Zentralregierung in Madrid, der die Küstenschutzorganisation “Costas” untersteht, geprüft werden.
Meldung: Isla Canaria Net



Das hört sich alles sehr unterschiedlich an und mit den Regelungen des Küstengesetzes haben die Meldungsinhalte teilweise wenig zu tun. Es wird in einer Art "Papageien Journalismus" einfach unkritisch alles veröffentlicht, was einem als Pressemitteilung in die Hände fällt.

Wenigstens weist der Vertreter von "Costas" zutreffend darauf hin, dass eine Entscheidung über einen Abriss in Madrid getroffen wird.
Das hat folgenden Hintergrund:
Wenn sich die ín Frage stehenden Immobilien in der sog. Meeres-Strand-Zone befinden, dann sind sie öffentliches Eigentum, denn in dieser Zone kann es kein Privateigentum geben.
Welcher Bereich zur Meeres-Strandzone gehört, ergibt sich aus der Grenzlinie (deslinde marítimo-terrestre). Insoweit existiert ein Anhörungs- und Feststellungsverfahren, wobei die örtliche Küstenbehörde einen Entwurf der Grenzlinie entwirft und diese nach Anhörung der Eigentümer und einer öffentlichen Anhörung dem zuständigen Ministerium weiterleitet. Die endgültige Feststellung der Meeres-Strandzone erfolgt durch Ministerialbeschluss und rein äußerlich durch Markierung der Grenzlinie mit Grenzsteinen. Nach endgültiger Festsetzung der Grenzlinie erfolgt die Anweisung an den Grundbuchrichter, widersprechende Grundbucheintragungen mit einer Art Vormerkung zu versehen. Der betroffene Eigentümer hat die Möglichkeit, klageweise gegen diese staatlichen Maßnahmen vorzugehen. Erfolgt dies nicht, werden die zu Gunsten des Staates lautenden Vormerkungen zu Eintragungen .

Nach der Markierung dieser Zone durch die Küstenbehörde erfolgt danach eine Enteignung, die i.d.R. ohne Entschädigung des alten Eigentümers erfolgt.

Falls sein Gebäude Bestandsschutz genießt, kann er einen Antrag auf Nießbrauch stellen, der zunächst für 30 Jahre bewilligt werden und noch einmal um 30 Jahre verlängert werden kann.
Ein solcher Antrag setzt aber i.d.R. voraus, dass die in Frage stehenden Immobilien tatsächlich Bestandschutz genießen, also vor Geltung des neuen Küstenschutzgesetzes (1988) rechtmäßig dort erbaut wurden. Zum ganzen Thema siehe meine Beiträge unter dem Label Küstengesetz

Möglich wäre auch, dass sich die Gebäude in der sog. Schutzzone (zona de protección), die hinter der Meeres-Strandzone liegt, befinden. Die Schutzzone hat einen Streifen von 100 Meter ab der festgestellten Meeres-Strandzone.
Sie gilt als Dienstbarkeit (servidumbre), die privates Eigentum grundsätzlich duldet. Immobilien, die Wohnzwecken dienen, wie auch Hotels sollen grundsätzlich nicht in dieser Zone stehen, es sei denn es werden aufgrund ihrer außerordentlichen Bedeutung wichtige wirtschaftliche Gründe nachgewiesen.
Die zulässige Nutzung bedarf der Erlaubnis (autorización) der zuständigen Küstenbehörden.
Mit der Neuregelung aus 1988 darf ein 100 m breiter Schutzstreifen von der Küste an landeinwärts grundsätzlich nicht mehr bebaut werden, sofern kein rechtsgültiger Bebauungsplan vorhanden ist. Im Falle eines rechtskräftig festgestellten Bebauungsplanes beläuft sich die Breite der Schutzzone lediglich auf 20 m (urbane Zone).

Wenn ein evtl. Abriss in Frage stand, dann spricht das dafür, dass die Gebäude sich sogar innerhalb der Meeres-Strandzone befinden.

Sowohl in der Meeres-Strandzone als auch in der Schutzzone ist entscheidend, ob die Immobilien Bestandsschutz genießen, was i.d.R. der Fall ist, wenn sie vor Geltung des Küstenschutzgesetzes (1988) an dieser Stelle legal erbaut wurden.

Eigentümer, deren Gebäude keinen Bestandsschutz genießen, können eine Abrissverfügung erhalten und tatsächlich wurde von diesen Abrissverfügungen in vielen Fällen auch schon Gebrauch gemacht. "Costas" prüft derzeit in anderen Fällen, ob weitere Abrissverfügungen erlassen werden müssen.

Die Vertreter von "Costas" müssten sich daher hüten, im Falle Anexo II irgendetwas in Aussicht zu stellen. Das Küstengesetz regelt diese Fälle explizit. Eine spannende Frage ist allerdings, ob es in ganz besonderen Ausnahmefällen möglicherweise Ausnahmen geben könnte.
Das will ich später näher beleuchten.

Hinsichtlich des Falles Anexo II, ein Einkaufszentrum auf Gran Canaria, war vor kurzem folgendes zu lesen:
Die Lokalbesitzer des Anexo II in Playa del Ingles sind besorgt. Nach wie vor unklar ist, ob sie im Falle einer Enteignung tatsächlich finanziell entschädigt werden oder nicht. Die Küstenverwaltung hat angekündigt, keinerlei solche Entschädigungen zu bezahlen, die Gemeinde Maspalomas scheint sich nur halbherzig für das Thema zu interessieren. Eine Enteignung steht seit Jahren im Raum, nun könnte es aber tatsächlich konkret werden. Die Küstenverwaltung hat das Gebiet auf dem sich die ca. 80 Lokale befinden offiziell zum Küstengebiet erklärt und beim zuständigen Grundbuchamt bereits eine Enteignung angekündigt.
Meldung: Sands FM


Diese interessante Meldung stammt vom 13. Mai 2009. Entschädigungen werden nicht bezahlt, weil das spanische Verfassungsgericht in der Nießbrauchsmöglichkeit eine Art "Entschädigung" sieht, die i.d.R. ausreichend sei. Wenn die Immobilien enteignet wurden, dann stehen sie im der "zona marítima terrestre", der öffentlichen Meeres-Strandzone.
Interessant ist aber der versteckte "Hinweis" des Costas Vertreters in der Meldung vom gestrigen Tage:
Interesse an einem Abriss hätten andere, zum Beispiel die Inselregierung Gran Canarias, und die sollten das dann auch selbst durchführen und Entschädigungen bezahlen, meinte der Sprecher der Küstenbehörde.


"Costas" hatte schon in anderen Fällen betont, dass man für gewerbliche Betriebe keine Ausnahmen vom Küstenschutz machen könne.
Viele Eigentümer, deren Häuser bereits abgerissen wurden, warfen der Behörde aber in der Vergangenheit vor, auf einem Auge blind zu sein und stellten zurecht die Frage, wann man denn gegen Hotels, Einkaufszentren und andere gewerbliche Eigentümer vorgehen wird, deren Betriebe auch im Schutzbereich der Meeres-Strandzone oder der Schutzzone liegen.

Grundsätzlich muss man dazu sagen, dass es auch in Spanien natürlich keine Gleichheit im Unrecht geben kann. Die Tatsache, dass man gegen andere rechtswidrige "Zustandsstörer" noch nicht vorgegangen ist, kann gerade nicht im Verfahren gegen das Einschreiten der Behörde im eigenen Zustandsstörerfall geltend gemacht werden. Im Unrecht hat man keinen Anspruch auf Gleichbehandlung. Im übrigen muss man der Behörde bei der Auswahl der Zustandsstörer ein Ermessen zubilligen, das vermutlich noch nicht einmal gerichtlich voll überprüfbar sein dürfte.
"Costas" hat alleine auf den Islas Canarias mehrere Hundert Fälle des verst0ßes gegen das Küstengesetz zu bearbeiten. In ganz Spanien sind es Tausende Fälle.
Die Behörde muss diese Fälle nach einer eigenen Behördentaktik bearbeiten können.
Klar ist aber auch, dass die Behörde Recht und Gesetz verpflichtet ist.
Ein schuldhaftes Unterlassen des Vorgehens gegen rechtswidrige Zustände wird man sich auch nicht erlauben können, denn dies könnte durchaus in Einzelfällen Dienstaufsichtsverfahren zur Folge haben. Auch müsste man in derartigen Fällen das zuständige Umweltministerium ermahnen, das ja rechtlich für das Funktionieren der Küstenschutzbehörde verantwortlich ist.

Interessant bleibt aber der Hinweis des Costas Vertreters auf evtl. Entschädigungsleistungen der Gemeinden, in deren Gebiet sich vom Abriss bedrohte gewerbliche Immobilien befinden.
Möglicherweise haben Eigentümer ja die Grundstücke, die sich in der Meeres-Strand-Zone befinden, von Gemeinden gekauft. Unabhängig von der Tatsache, ob sie ein Nießbrauchrecht erhalten, verlieren die Eigentümer auf jeden Fall ihr Eigentum durch Enteignung. Sie können die Immobilie weder verkaufen noch erweitern oder vererben.
In diesen Fällen kommen in der Tat Ansprüche gegen die Verkäufer in Betracht, wie ich in Teil IV meiner Reihe zum Küstengesetz bereits ausgeführt habe.

In diesen Fällen muss man auch die Frage stellen, wie denn in diesem bereich Baugenehmigungen erteilt oder Bebauungspläne verabschiedet werden konnten. Besonders, wenn Bauten nach 1988 mit Genehmigung erbaut wurden, können sich die Genehmigungserteiler kaum rausreden. Bei den Gemeinden hat das Küstengesetz bekannt zu sein! Vermutlich war das auch der Fall, aber man hat es halt nicht so genau genommen.

Eine andere Frage ist, warum die Schutzone im ganzen Land erst so spät von "Costas" markiert wurden.
Die Tatsache, dass man sich in Madrid lange nicht um die Einhaltung der Regelungen des Ley de Costa gekümmert hat, rechtfertigt jedenfalls nicht die, teilweise bewusste, Missachtung des Gesetzes durch Gemeinden und die "Immobilien-Mafia".

Im Falle eines erlaubten Nießbrauches (30 bzw. 60 Jahre) kann man meiner Meinung nach auch keine "Umbauten" vornehmen, gebäudeerhaltende Maßnahmen wären aber wohl erlaubt.
Insoweit muss folgende Meldung von heute verwundern:

In der Gemeinde Maspalomas überlegt und diskutiert man derzeit über die Zukunft des Anexo II. Die Abrisspläne scheinen vom Tisch, jetzt will man die veraltete Einkaufsmeile "aufbessern und die Umgebung verschönern", so hieß es gestern aus dem Bürgermeisteramt. Die Lokaleigentümer dürfen lt. aktuellem Stand ihre Geschäfte für die nächsten 30 Jahre behalten, mit der Option auf weitere 30 Jahre. Sowohl aus der Gemeinde als auch aus der Inselregierung gibt es darüber viel Kritik. Und um der jetzt entgegenzuwirken soll endgültig verschönert werden - die Pläne dazu werden gemeinsam von den betroffenen Lokalbesitzern, Architekten und Vertretern der Gemeinde Maspalomas ausgearbeitet.
Meldung: Sands FM


Ich wage zu behaupten, dass in dieser Zone auch das "Aufbessern und Verschönern" nicht so ohne weiteres erlaubt ist, wenn ich mir die Regelungen des Küstengesetzes ansehe.
Jedenfalls ist der Nießbraucher normalerweise nicht berechtigt, die Sache umzugestalten oder wesentlich zu verändern.

Jeden Tag eine neue Meldung. Wir dürfen gespannt sein, wie es weiter geht.
"Costas" arbeitet auf jeden Fall auf Hochtouren.

Im zweiten Teil werde ich weitere Einzelfälle aus La Palma und La Gomera beleuchten und auf Tatbestände eingehen, die ich als echte Ausnahmetatbestände bezeichnen will.
Offenbar scheint "Costas" nach Gesprächen mit einzelnen Gemeinden in ganz engen Grenzen Ausnahmetatbestände zu sehen.
Dazu später mehr!

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